Bi-Kulturelle Erziehung

Bi-kultureile Erziehung: was ist das? Für viele Eltern bestimmt ein großes Fragezeichen...
Bi-kulturelle Erziehung findet immer dann statt, wenn Kinder in zwei Kulturen leben und aufwachsen.

Neulich hat mir meine Tochter (6 1/2Jahre) einen Witz erzählt, den ich mit lachendem und weinendem Auge aufnahm: sie fing an, "Mae, Mae, Mae" zu meckern und lachte dann selbst über ihren Witz. "Mama, weißt du, warum das so lustig ist?" Ich verneinte. Was heißt Mae auf Thailändisch? Das Wort Mae ist nicht das Meckern einer Ziege, sondern bedeutet Mama. In meiner thailändischen Kultur belasten solche Späßchen die Beziehung zwischen Mutter und Kind stark. Ein Kind würde dort eine solche Kränkung und Beleidigung nie aussprechen! Gewiß werden viele bi-nationale Partnerschaften mit ähnlichen Problemen konfrontiert, die aus den unterschiedlichen Sprachen resultieren. Ganz unbefangen und unbelastet bedienen sich die Kinder häufig der Witzform als Signal für die Auseinandersetzung mit den beiden Kulturen der Eltern. In meiner Kultur wäre ein solches Verhalten unmöglich, da der Respekt vor den Eltern und besonders der Mutter wesentlicher Bestandteil der Erziehung und Beziehung zwischen Eltern und Kindern ist. Mit dem Respekt sind viele Verhaltensstrukturen, Handlungsvorstellungen und Erwartungshaltungen verknüpft. - Und mein Mann, ein Deutscher, versteht unter Respekt wieder etwas ganz anderes!

In meiner Kultur Werden Körperteile mit anderer Wertschätzung belegt. Zum Beispiel der Fuß: jemand, der mit dem Fuß in Richtung eines Gastes sitzt, wirkt äußerst unhöflich. Ähnliches gilt, wenn man eine Tür mit dem Fuß aufstößt. So geschieht es, daß man sich Fremden gegenüber ablehnend verhält und der Betroffene weiß nicht einmal, daß dies auf sein eigenes Verhalten zurückzuführen ist. Oder der Kopf: jüngere Generationen dürfen den Kopf der Eltern und Älteren nicht berühren. Und was mache ich, wenn mir mein Sohn aus Zuneigung zärtlich den Kopf streichelt? Eigentlich müßte ich ihn strafen, weil er sich mir gegenüber respektlos verhalten hat. In der westlichen Kultur aber ist es ein Zeichen der Zuneigung! Eine Strafe hätte sicher fatale Folgen!

Und doch bekennen sich meine Kinder manchmal im gleichen Atemzug dazu, thailändisch zu sein.

Ein thailändisches Sprichwort sagt: Kinder sind wie ein reines weißes Tuch, auf dem sich jeder Fleck gut erkennen läßt. In solch kuriosen Situationen wird deutlich, daß Kinder sich völlig vorurteilsfrei mit beiden Kulturen auseinandersetzen und somit die wertvollsten Ressourcen für einen besseren Umgang miteinander bilden. Bi-kulturelle Erziehung sollte also stets Benennung, Anerkennung und Respekt beiden Elternteilen gegenüber beinhalten. Dann behält das Wort Fremder auch seine ursprüngliche, ehrbare Bedeutung und muß nicht mit Beschämung ausgesprochen werden.

In der jetzigen angespannten Situation von ausländischen MitbürgerInnen in Deutschland (siehe die Abschiebungen Anfang Mai oder die Aufenthaltsgenehmigungspflicht für alle in Deutschland geborenen Kinder der ehemaligen Anwerberländer) könnten solche Gedanken sinnvollerweise zum besseren Zusammenleben in der sich selbst mit Stolz ernannten "multikulturellen" Gesellschaft beitragen.

Srinapa Dhapjan-Langbein 1997

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